Erinnerungen von Kriegsteilnehmern und Kriegskindern

Aus 57.Infanterie-Division
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Einleitung


Nach Auszügen aus Niederschriften und Erzählungen von Angehörigen:
Danke an Albert Riß für diese Beiträge.


Bekleidung



Walenki (Валенки) Nun zu der Sache mit den Walenkis (russ. валенок): Bei der deutschen Wehrmacht herrschte Ordnung und so mussten Dienstvorschriften genauestens vollzogen werden.
russ. Winterstiefel
Валенки
Das galt natürlich auch für die Zunft der Kammerfeldwebel, die den Soldaten die Ausrüstung verabreichten. Es musste alles genauestens "passen": Die Dienstmütze, die Knobelbecher usw. Mann passte also die Knobelbecher mit deutscher Genauigkeit genau der Fußgröße an. Die Folgen waren dann in den strengen Wintern der Jahre 1941/42 und 1942/43 verheerend. Hundertausende von Soldaten hatten massive Erfrierungen der Zehen. Meinen Vater erwischte es mehrmals.
Er kam auch bei Kriegsende mit erfrorenen Zehen nach Hause!
Bei den Russen gab es solche Dinge nicht, weil sie Filzstiefel trugen (Walenki). Deutsche Soldaten kamen dann ziemlich schnell dahinter, als sie bei gefallenen russischen Soldaten deren Stiefel erstmals sahen. Die Stiefel waren mindestens 1 Nummer größer als die eigentliche Schuhnummer verpasst worden und mit Zeitungspapier innen ausgefüllt. Das war der Grund, warum Soldaten der Roten Armee meist keine Erfrierungen der Zehen davontrugen.
Solche Walenki gefallener Soldaten der Roten Armee anzuziehen, das taten die deutschen Soldaten in aller Regel nicht. Da gab es wohl eine Art von Ehrenkodex. Wahrscheinlich wurde auch befürchtet, im Falle der Gefangenschaft liquidiert zu werden, wenn man Walenki trägt. Also gab es bei der Wehrmacht weiter diese Erfrierungen und einen vernünftigen Winterstiefel bekam die kämpfende Truppe bis zum Kriegsende auch nicht.


Ausrüstung



Bewaffnung


russ. Feldkanone SiS 3 russ. Feldkanone SiS 3 / Kaliber 76 mm (russ. дивизионная пушка обр. 1942 г. (ЗиС-3))
Von dieser Kanone erzählte wohl jeder Soldat, der den Russlandfeldzug erlebte. Gemeinhin hatte diese wirkungsvolle Kanone der Roten Armee den Spitznamen "Ratsch-Bumm".
Feldkanone SiS 3 / 76 mm
(дивизионная пушка обр. 1942 г. (ЗиС-3))
Wegen des überlangen Kanonenrohres verschoss die Kanone die Munition – auch

wegen der flachen Flugbahn – im Überschallbereich. Bei kurzen Entfernungen von 1000 bis 2000 m waren Abschussknall und Einschlag kaum noch von einander zu unterscheiden. Es gab also bei derart kurzen Kampfentfernungen keine Zeit mehr, Deckung zu suchen.

Soldaten, die an die Ostfront neu abkommandiert waren, wurden im Rahmen einer allgemeinen Einweisung auf den Wirkungsgrad der russ. Feldkanone besonders verwiesen.

76-mm-Divisionskanone

russ. T-34 Die ersten T 34-76 wurden von der Roten Armee Ende 1941 eingesetzt. Für die Wehrmacht war dies eine böse Überraschung. Die PaK 36-3,7 cm war nicht in der Lage, die massive Frontpanzerung des T 34-76 zu durchschlagen.
Panzer T-34
Mit viel Glück konnte der T 34 durch Treffer am Turmdrehkranz oder Laufwerk bewegungsunfähig geschossen werden. Ab Ende 1941 gab es bei der Wehrmacht wieder einmal einen neuen Spitznamen für eine Waffe. Mit ironischem Sarkasmus nannten die Soldaten die PaK 36 fortan "Heeresanklopfgerät".
Mir erzählte mein Vater, dass liegen gebliebene T 34 von deutschen Soldaten anfangs immer genau inspiziert wurden. Man bestaunte die abgeschrägte und massive Frontpanzerung, die es in dieser Form bei den damaligen deutschen Panzern nicht gab. Überrascht war man

auch über das etwas grobschlächtige Äußere des T 34. So wurden Schweißnähte nicht geglättet, sondern im Urzustand belassen.

Deutsche Soldaten, die erstmals das Innere des T 34 sahen, wunderten sich, dass neben dem Fahrersitz ein übergroßer Hammer lag. Irgendwann war dieses Rätsel gelöst: Das Getriebe des T 34 war recht schwergängig. Und wenn das Schalten der Gänge Probleme bereitete, dann schlug der russ. Panzerfahrer mit dem Hammer solange gegen den Schaltknüppel, bis es eben funktionierte.

T-34 Panzer



Fahrzeuge / Flugzeuge


Polikarpow Po-2 Im Soldatenjargon der Wehrmacht hieß diese Maschine „Nähmaschine“ wegen ihres eigentümlichen Motorengeräusches. Der Grundentwurf dieser Maschine stammte aus dem Jahre 1927. Das untermotorisierte Flugzeug hatte eine Höchstgeschwindigkeit um die 150 km/h.
Polikarpow Po-2 (Поликарпов по-2)
Die Maschine wurde zu nächtlichen Störangriffen im Frontbereich eingesetzt. In gewisser Weise war diese Maschine von den deutschen Soldaten gefürchtet, weil auch Bomben abgeworfen wurden. Jedenfalls, so erzählte mir mein Vater, ging man in Deckung, wenn nachts die „Nähmaschine“ zu hören war.
Vielfach wurde behauptet, dass diese Maschine gepanzert war. Das stellte sich jedoch als nicht zutreffend heraus. Das Flugzeug war in einer Mischbauweise aus Holz und Stoffbespannung gefertigt und stürzte wohl nach einzelnen Gewehrtreffern, sofern nicht der Pilot getroffen wurde, nicht sofort ab. Deshalb waren die deutschen Soldaten der Ansicht, das Flugzeug sei z. T. gepanzert. Wegen der geringen Geschwindigkeit setzte die Rote Armee dieses Flugzeug nur nachts ein.

Polikarpow Po-2



Geschichten

Kinder im Krieg

Kinder sind immer die Leidtragenden der Kriege! Soldaten der Wehrmacht trafen in Kampfgebieten Russlands in den Jahren 1941 und 1942 - beim schnellen Vormarsch - vielfach auf Zivilbevölkerung (meist nur Frauen, alte Männer und Kinder), die infolge der Kriegswirren zwischen der deutschen und russischen Front verblieben war.

Die materielle Not der Zivilbevölkerung in den russ. Kampfgebieten war groß. Mein Vater erlebte, das was ich jetzt schildere, etwa im Mai 1942 im Gebiet von Obojan, einem damals ruhigen Frontabschnitt.

Die russischen Frauen und Männer waren gegenüber den Soldaten der Wehrmacht sehr zurückhaltend. Die Kinder hatten da weniger Probleme. Sie waren plötzlich da und baten um Brot.

Die Versorgungslage war damals gut und so gaben Soldaten des Regiments 199 der ID 57 Teile ihrer Kaltverpflegung ab (Brot, Tubenkäse, Wurst u.ä). Die Kinder nahmen diese „Geschenke“ mit nach Hause und versorgten damit auch ihre Mütter. Man hatte richtiggehend Mitleid mit diesen ausgehungerten Kindern, wie mein Vater erzählte.

Man wollte den Kindern etwas „Süßes“ bieten. Schokolade oder Bonbons gab es an der Front nicht, aber Kunsthonig und den bekamen fortan die Kinder, die dann ganz begeistert waren über diese „süße Pracht“ ......

Als fast 6-Jähriger erlebte ich 1945 das Kriegsende. Die deutsche Zivilbevölkerung litt in den ersten Jahren buchstäblich an Hunger. Die US-Soldaten hatten anfangs ein striktes Fraternisierungsverbot. Es gab also keinerlei Kontakte mit den Deutschen. Die deutschen Kinder verhielten sich fast ebenso wie die russ. Kinder 1942 in Obojan: Sie hatten nicht die geringsten Berührungsängste, was die US-Soldaten betraf.

Als mich meine Mutter im Juli 1945 zum Einkaufen schickte, beschenkte mich ein farbiger US-Soldat (er war – wie sich später herausstellte – Armeepfarrer) überreichlich mit Süßigkeiten. Wenn Konvois der US-Armee durch die Straßen fuhren, dann standen wir Kinder meist am Straßenrand, weil wir wussten, dass die Soldaten uns immer wieder Süßigkeiten zuwarfen.....

Eigentlich versöhnlich ist dann doch die Tatsache, dass Soldaten aller Armeen mit Kindern menschlich umgehen!


Der Endsieg - und was Soldaten an der Ostfront davon hielten


Die Generation der Söhne hatte noch die Möglichkeit, mit Teilnehmern des Russlandfeldzuges über die damalige Stimmungslage an der Front zu reden. Was man da von Vätern, Verwandten und Bekannten erfuhr, die damals als Soldaten in Russland den Krieg erlebten, war wohl eine ziemlich gleiche Bewertung der damaligen Verhältnisse.


Viele Soldaten – auch solche mit kritischer Einstellung zum NS-Staat – dachten nach den erfolgreichen Feldzügen gegen Polen und Frankreich, dass nun der Krieg zu Ende sei oder aber, dass bei einer Fortführung des Krieges Deutschland weitere Siege erringen könnte.

Viele der erfahrenen Berufssoldaten waren 1941 sehr skeptisch, als der Krieg im Osten begann. Die Rück- schläge in Russland (vor allem vor Moskau) ließ den Glaube an ein siegreiches Ende des Russlandfeldzuges schwinden. Der Frontsoldat erkannte an der harten Realität, dass der Krieg in Russland nicht ohne weiteres siegreich zu beenden war. Etwas Hoffnung kam dann auf, als im Sommer 1942 der Vormarsch im Mittel- und Südabschnitt begann.


Nach der Katastrophe von Stalingrad gab es – von einigen Ausnahmen, wie z.B. die Wiedereroberung Charkows - für die deutschen Armeen nur noch Rückzugsgefechte. Die Sportpalastrede von Reichsminister Goebbels am 18.Februar 1943 war für viele Soldaten der Hinweis für eine Art von Endzeitstimmung. Losungen wie „totaler Krieg“ oder die Parole vom „Endsieg“ wurden von den meisten Frontsoldaten nicht als realistisch angesehen.

Ja, fragte ich meinen Vater, was dachten die Soldaten an der Front, als es nur noch Rückzugsgefechte gab. Die Antwort, die ich erhielt, war ziemlich lapidar! Die Soldaten hatten bei den oft harten Gefechten und hohen Verlusten ganz andere Probleme, als intensiv darüber nachzudenken, wie dieser Krieg wohl enden würde. Man glaubte zwar nicht an den Endsieg und an die berühmten Wunderwaffen, doch 1943/44 gab es noch einen Rest von Hoffnung, dass dieser Krieg irgendwie einmal zu Ende gehen würde. Ein Kriegsende, wie es dann 1945 eintrat, erwartete man in dieser schlimmen Form eigentlich wohl nicht. Es gab ja immer die berühmten Gerüchte an der Front, wie z. B. des Inhalts, dass Stalin und Hitler in Schweden durch Abgesandte Geheimverhandlungen über einen Waffenstillstand führen würden. Und ganz so falsch waren diese Gerüchte in der Tat nicht. Es gab tatsächlich Ansätze für solche Geheimverhandlungen, letztendlich lehnte sie Hitler aber ab.

In der letzten Phase des Krieges versuchte dann der NS-Staat die Wehrmacht zu politisieren. Man führte nach dem 20.7. 1944 bei den Soldaten den Deutschen Gruß ein. Der Erfolg blieb aus, man grüßte weiterhin in der üblichen militärischen Form. Die Einführung des NS-Führungsoffiziers sollte die Wehrmacht in massiver Form politisch beeinflussen. Es muss für den NS-Staat eine recht negative Erfahrung gewesen sein, als die Meldungen für solche Posten dürftig ausfielen. Viele fachlich gut qualifizierte Offiziere lehnten schlichtweg mit der Begründung ab, sie wollten lieber in ihrer bisherigen Funktion bei der kämpfenden Truppe bleiben. Eigentlich wollte man vor allem Mitglieder der NSDAP für NS-Führungsoffiziere gewinnen, aber davon gab es nicht viele in der Wehrmacht. Letztendlich nahm man jeden als NS-Führungsoffizier. Eine Mitgliedschaft in der NSDAP wurde dann ausdrücklich nicht mehr gefordert!

Der letzte Rest von Hoffnung schwand bei den Soldaten, wenn sie beim Heimaturlaub den Bombenkrieg im Luft- schutzkeller erleben mussten. In den letzten Monaten des Krieges hoffte wohl jeder Soldat an der Ostfront, dass er diesen Krieg lebend überstehen wird. Die Kampfmoral ging zurück. Es ging nur noch um das nackte Über- leben.....