Erinnerungen von Kriegsteilnehmern und Kriegskindern: Unterschied zwischen den Versionen

Aus 57.Infanterie-Division
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         Die Schiffe lagen (abgerüstet und ohne Munition) in Toulon und den sonstigen Häfen
 
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         bzw. Liegeplätzen. Deshalb lagen auch diese Torpedoboote in Nizza vor Anker.
 
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Bild 2: Reger Badebetrieb am Strand von Nizza - Okt. 1943
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        Im Oktober 1943 herrschte in Nizza - von den Mängeln in der Lebensmittelversorgung
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        einmal abgesehen - friedensmäßiges Treiben. Vom 2. Weltkrieg war Südfrankreich bis
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        dahin weitgehend verschont geblieben. Erst am 26. Mai 1944 erlebte Nizza eine
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        Beschießung durch alliierte Kriegsschiffe und Fliegerangriffe. Danach begann die
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        "Operation Dragoon" - die Invasion der Alliierten in Südfrankreich.
 
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Version vom 26. Oktober 2008, 18:33 Uhr

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Einleitung


Nach Auszügen aus Niederschriften und Erzählungen von Angehörigen:
Danke an Albert Riß für diese Beiträge.


Allgemeines

Marsch IR 199

Marschieren, marschieren......

Die Stärke eines Infanterieregiments betrug im Regelfall 3.250 Mann. Ein solches Regiment verfügte über 683 Pferde, 210 bespannte Fahrzeuge und 73 Motorfahrzeuge. Durch die Schwierigkeiten, defekte Motorfahrzeuge zu ersetzen, mussten nach 1943 die Zahl solcher Fahrzeuge bei Infanterieregimentern vermindert und die Zahl der Pferdegespanne erhöht werden. Soldaten dieser Regimenter kamen nie in den Genuss, bei Kriegseinsätzen zum Einsatzort "gefahren zu werden".

Nur die Infanteriedivisionen mit dem Zusatz „mot.“ hatten einen höheren Motorisierungsgrad und wurden im Verbund mit Panzerdivisionen eingesetzt. Im April 1943 wurden diese Divisionen in „Panzergrenadierdivisionen“ umbenannt.

Von unseren Vätern und Großvätern, die bei der 57. ID in einem der 3 Infanterieregimenter dienten, wissen wir, dass die damaligen Angehörigen solcher Regimenter beim Vormarsch im Jahre 1941 bzw. 1942 täglich oftmals 30 km zurücklegten. Es gab aber auch Tage, da wurden 40 km am Tage marschiert. Wer heute im Urlaub bei einer Tageswanderung einmal 20 km unterwegs ist, kann einigermaßen nachvollziehen, welche Leistungen die Soldaten von Infanterieregimentern während des Krieges unter Beweis stellen mussten!

Das nebenstehende Bild aus dem Jahre 1942, zeigt eine Marschformation des Inf. Reg. 199. Außer 2 pferdebespannten Karren sind keinerlei weitere Fahrzeuge zu sehen. Das schwere Gerät (MG, Granatwerfer und wahrscheinlich auch Tornister und Karabiner) wurde auf diesen Karren transportiert, um so eine gewisse Marscherleichterung zu erzielen!

Normale Infanteriedivisionen litten während des ganzen 2. Weltkrieges unter der mangelnden Motorisierung.

Dieses Bild ist wohl typisch für die damalige Situation! Die Gewaltmärsche, die deutschen Infanteristen im 2. Weltkrieg abverlangt wurden, glichen den Verhältnissen der Kriege von 1870/71 und 1914/18 – welch ein Anachronismus!

Technisches

Bekleidung



Walenki (Валенки) Nun zu der Sache mit den Walenkis (russ. валенок): Bei der deutschen Wehrmacht herrschte Ordnung und so mussten Dienstvorschriften genauestens vollzogen werden.
russ. Winterstiefel
Валенки
Das galt natürlich auch für die Zunft der Kammerfeldwebel, die den Soldaten die Ausrüstung verabreichten. Es hatte alles genauestens zu "passen": Die Dienstmütze, die Knobelbecher usw. Man passte also die Knobelbecher mit deutscher Genauigkeit genau der Fußgröße an. Die Folgen waren dann in den strengen Wintern der Jahre 1941/42 und 1942/43 verheerend. Hundertausende von Soldaten hatten massive Erfrierungen der Zehen. Meinen Vater erwischte es mehrmals.
Er kam auch bei Kriegsende mit erfrorenen Zehen nach Hause!
Bei den Russen gab es solche Dinge nicht, weil sie Filzstiefel trugen (Walenki). Deutsche Soldaten kamen dann ziemlich schnell dahinter, als sie bei gefallenen russischen Soldaten deren Stiefel erstmals sahen. Die Stiefel waren mindestens 1 Nummer größer als die eigentliche Schuhnummer verpasst worden und mit Zeitungspapier innen ausgefüllt. Das war der Grund, warum Soldaten der Roten Armee meist keine Erfrierungen der Zehen davontrugen.
Solche Walenki gefallener Soldaten der Roten Armee anzuziehen, das taten die deutschen Soldaten in aller Regel nicht. Da gab es wohl eine Art von Ehrenkodex. Wahrscheinlich wurde auch befürchtet, im Falle der Gefangenschaft liquidiert zu werden, wenn man Walenki trägt. Also gab es bei der Wehrmacht weiter diese Erfrierungen und einen vernünftigen Winterstiefel bekam die kämpfende Truppe bis zum Kriegsende auch nicht.



Bewaffnung


russ. Feldkanone SiS 3 russ. Feldkanone SiS 3 / Kaliber 76 mm (russ. дивизионная пушка обр. 1942 г. (ЗиС-3))
Von dieser Kanone erzählte wohl jeder Soldat, der an der russischen Front war. Gemeinhin nannten die Soldaten diese wirkungsvolle Kanone der Roten Armee "Ratsch-Bumm".
Feldkanone SiS 3 / 76 mm
(дивизионная пушка обр. 1942 г. (ЗиС-3))
Wegen des überlangen Kanonenrohres verschoss die Kanone die Munition – auch

aufgrund der flachen Flugbahn – im Überschallbereich. Bei kurzen Entfernungen von 1000 bis 2000 m waren Abschussknall und Einschlag kaum noch von einander zu unterscheiden. Es gab also bei derart kurzen Kampfentfernungen keine Zeit mehr, Deckung zu suchen.

Soldaten, die an die Ostfront neu abkommandiert waren, wurden im Rahmen einer allgemeinen Einweisung auf den Wirkungsgrad der russ. Feldkanone besonders verwiesen.

76-mm-Divisionskanone

russ. T-34 Die ersten T 34-76 wurden von der Roten Armee Ende 1941 eingesetzt. Für die Wehrmacht war dies eine böse Überraschung. Die PaK 36-3,7 cm war nicht in der Lage, die massive Frontpanzerung des T 34-76 zu durchschlagen.
Panzer T-34
Mit viel Glück konnte der T 34 durch Treffer am Turmdrehkranz oder Laufwerk bewegungsunfähig geschossen werden. Ab Ende 1941 gab es bei der Wehrmacht wieder einmal einen neuen Spitznamen für eine Waffe. Mit ironischem Sarkasmus nannten die Soldaten die PaK 36 fortan "Heeresanklopfgerät".
Mir erzählte mein Vater, dass liegen gebliebene T 34 von deutschen Soldaten anfangs immer genau inspiziert wurden. Man bestaunte die abgeschrägte und massive Frontpanzerung, die es in dieser Form bei den damaligen deutschen Panzern nicht gab. Überrascht war man

auch über das etwas grobschlächtige Äußere des T 34. So wurden Schweißnähte nicht geglättet, sondern im Urzustand belassen.

Deutsche Soldaten, die erstmals das Innere des T 34 sahen, wunderten sich, dass neben dem Fahrersitz ein übergroßer Hammer lag. Irgendwann war dieses Rätsel gelöst: Das Getriebe des T 34 war recht schwergängig. Und wenn das Schalten der Gänge Probleme bereitete, dann schlug der russ. Panzerfahrer mit dem Hammer solange gegen den Schaltknüppel, bis es eben funktionierte.

T-34 Panzer

Maschinenpistolen Die russische Maschinenpistole PPSch-41 und die deutsche Maschinenpistole MP-40

Die russische Maschinenpistole PPSch-41 ist wieder ein Beispiel für eine robuste und stets funktionsfähige Waffe der Roten Armee. Gegenüber der deutschen Maschinenpistole MP-40 machte sie geradezu einen etwas primitiven Eindruck, aber in ihrer Wirkung war sie erheblich besser und zuverlässiger als das deutsche Modell.

Deutsche Soldaten machten bald schlimme Erfahrungen mit der MP-40. Wurde das Magazin mit 32 Patronen gefüllt, dann gab es im Ernstfall Ladehemmungen. Das lag an der komplizierten Munitionszuführung und wahrscheinlich auch am Federmechanismus des Ladesystems. Jedenfalls wurde die Truppe deswegen angewiesen, das Magazin nur noch mit 28 Patronen zu füllen. Die deutschen Soldaten waren alles andere als zufrieden mit dieser in der Tat unzuverlässigen Waffe.

Die russische PPSch-41 war dagegen eine sehr gute MP, die auch noch funktionierte, wenn sie einmal nicht gereinigt werden konnte. Der große Vorteil dieser Waffe war das Trommelmagazin mit 71 Patronen.

Die deutsche Rüstungsindustrie versuchte die MP-40 zu verbessern und mit einem Doppel-Stabmagazin auszustatten. In Großserie wurde diese Waffe aber nie produziert. Und dann geschah schon etwas, was für deutsche Verhältnisse außergewöhnlich war: Man übernahm bei der Wehrmacht stillschweigend aus Beutebeständen die PPSch-41 und verwendete sie mit russischer Munition als MP-717(r).

PPSch-41
MP 40



Fahrzeuge / Flugzeuge


Polikarpow Po-2 Im Soldatenjargon der Wehrmacht hieß diese Maschine „Nähmaschine“ wegen ihres eigentümlichen Motorengeräusches. Der Grundentwurf dieser Maschine stammte aus dem Jahre 1927. Das untermotorisierte Flugzeug hatte eine Höchstgeschwindigkeit um die 150 km/h.
Polikarpow Po-2 (Поликарпов по-2)
Die Maschine wurde zu nächtlichen Störangriffen im Frontbereich eingesetzt. In gewisser Weise war diese Maschine von den deutschen Soldaten gefürchtet, weil auch Bomben abgeworfen wurden. Jedenfalls, so erzählte mir mein Vater, ging man in Deckung, wenn nachts die „Nähmaschine“ zu hören war.
Vielfach wurde behauptet, dass diese Maschine gepanzert war. Das stellte sich jedoch als nicht zutreffend heraus. Das Flugzeug war in einer Mischbauweise aus Holz und Stoffbespannung gefertigt und stürzte wohl nach einzelnen Gewehrtreffern, sofern nicht der Pilot getroffen wurde, nicht sofort ab. Deshalb waren die deutschen Soldaten der Ansicht, das Flugzeug sei z. T. gepanzert. Wegen der geringen Geschwindigkeit setzte die Rote Armee dieses Flugzeug nur nachts ein.

Polikarpow Po-2




Geschichten

Kinder im Krieg

Kinder sind immer die Leidtragenden der Kriege! Soldaten der Wehrmacht trafen in Kampfgebieten Russlands in den Jahren 1941 und 1942 - beim schnellen Vormarsch - vielfach auf Zivilbevölkerung (meist nur Frauen, alte Männer und Kinder), die infolge der Kriegswirren zwischen der deutschen und russischen Front verblieben war.

Die materielle Not der Zivilbevölkerung in den russ. Kampfgebieten war groß. Mein Vater erlebte, das was ich jetzt schildere, etwa im Mai 1942 im Gebiet von Obojan, einem damals ruhigen Frontabschnitt.

Die russischen Frauen und Männer waren gegenüber den Soldaten der Wehrmacht sehr zurückhaltend. Die Kinder hatten da weniger Probleme. Sie waren plötzlich da und baten um Brot.

Die Versorgungslage war damals gut und so gaben Soldaten des Regiments 199 der ID 57 Teile ihrer Kaltverpflegung ab (Brot, Tubenkäse, Wurst u.ä). Die Kinder nahmen diese „Geschenke“ mit nach Hause und versorgten damit auch ihre Mütter. Man hatte richtiggehend Mitleid mit diesen ausgehungerten Kindern, wie mein Vater erzählte.

Man wollte den Kindern etwas „Süßes“ bieten. Schokolade oder Bonbons gab es an der Front nicht, aber Kunsthonig und den bekamen fortan die Kinder, die dann ganz begeistert waren über diese „süße Pracht“ ......

Als fast 6-Jähriger erlebte ich 1945 das Kriegsende. Die deutsche Zivilbevölkerung litt in den ersten Jahren buchstäblich an Hunger. Die US-Soldaten hatten anfangs ein striktes Fraternisierungsverbot. Es gab also keinerlei Kontakte mit den Deutschen. Die deutschen Kinder verhielten sich fast ebenso wie die russ. Kinder 1942 in Obojan: Sie hatten nicht die geringsten Berührungsängste, was die US-Soldaten betraf.

Als mich meine Mutter im Juli 1945 zum Einkaufen schickte, beschenkte mich ein farbiger US-Soldat (er war – wie sich später herausstellte – Armeepfarrer) überreichlich mit Süßigkeiten. Wenn Konvois der US-Armee durch die Straßen fuhren, dann standen wir Kinder meist am Straßenrand, weil wir wussten, dass die Soldaten uns immer wieder Süßigkeiten zuwarfen.....

Eigentlich versöhnlich ist dann doch die Tatsache, dass Soldaten aller Armeen mit Kindern menschlich umgehen!


Der Endsieg - und was Soldaten an der Ostfront davon hielten

Die Generation der Söhne hatte noch die Möglichkeit, mit Teilnehmern des Russlandfeldzuges über die damalige Stimmungslage an der Front zu reden. Was man da von Vätern, Verwandten und Bekannten erfuhr, die damals als Soldaten in Russland den Krieg erlebten, war wohl eine ziemlich gleiche Bewertung der damaligen Verhältnisse.


Manche Soldaten – auch solche mit kritischer Einstellung zum NS-Staat – dachten nach den erfolgreichen Feldzügen gegen Polen und Frankreich, dass nun der Krieg zu Ende sei oder aber, dass bei einer Fortführung des Krieges Deutschland weitere Siege erringen könnte.

Viele der erfahrenen Berufssoldaten waren 1941 sehr skeptisch, als der Krieg im Osten begann. Die Rückschläge in Russland (vor allem vor Moskau) ließen den Glaube an ein siegreiches Ende des Russlandfeldzuges schwinden. Der Frontsoldat erkannte an der harten Realität, dass der Krieg in Russland nicht ohne weiteres siegreich zu beenden war. Etwas Hoffnung kam dann auf, als im Sommer 1942 der Vormarsch im Mittel- und Südabschnitt begann.


Nach der Katastrophe von Stalingrad gab es – von einigen Ausnahmen abgesehen, wie z.B. die Wiedereroberung Charkows - für die deutschen Armeen nur noch Rückzugsgefechte. Die Sportpalastrede von Reichsminister Goebbels am 18.Februar 1943 war für viele Soldaten der Hinweis für eine Art von Endzeitstimmung. Losungen wie „totaler Krieg“ oder die Parole vom „Endsieg“ wurden von den meisten Frontsoldaten nicht als realistisch angesehen.


Ja, fragte ich meinen Vater, was dachten die Soldaten an der Front, als es nur noch Rückzugsgefechte gab. Die Antwort, die ich erhielt, war ziemlich lapidar! Die Soldaten hatten bei den oft harten Gefechten und hohen Verlusten ganz andere Probleme, als intensiv darüber nachzudenken, wie dieser Krieg wohl enden würde. Man glaubte zwar nicht an den Endsieg und an die berühmten Wunderwaffen, doch 1943/44 gab es noch einen Rest von Hoffnung, dass dieser Krieg irgendwie einmal zu Ende gehen würde. Ein Kriegsende, wie es dann 1945 eintrat, erwartete man in dieser schlimmen Form eigentlich wohl nicht. Es gab ja immer die berühmten Gerüchte an der Front, wie z. B. des Inhalts, dass Stalin und Hitler in Schweden durch Abgesandte Geheimverhandlungen über einen Waffenstillstand führen würden. Und ganz so falsch waren diese Gerüchte in der Tat nicht. Es gab tatsächlich Ansätze für solche Geheimverhandlungen, letztendlich lehnte sie Hitler aber ab.


In der letzten Phase des Krieges versuchte dann der NS-Staat die Wehrmacht zu politisieren. Man führte nach dem 20.7. 1944 bei den Soldaten den Deutschen Gruß ein. Der Erfolg blieb aus, man grüßte weiterhin in der üblichen militärischen Form. Die Einführung des NS-Führungsoffiziers sollte die Wehrmacht in massiver Form politisch beeinflussen. Es muss für den NS-Staat eine recht negative Erfahrung gewesen sein, als die Meldungen für solche Posten dürftig ausfielen. Viele fachlich gut qualifizierte Offiziere lehnten schlichtweg mit der Begründung ab, sie wollen lieber in ihrer bisherigen Funktion bei der kämpfenden Truppe bleiben. Eigentlich hatte man vor, Mitglieder der NSDAP zu gewinnen (bis 24.9.1944 ruhte bei Mitgliedern des NSDAP die Mitgliedschaft während der Wehrmachtszugehörigkeit; danach konnte jeder Soldat der NSDAP beitreten). Aber Parteimitglieder gab es nicht viele in der Wehrmacht; letztendlich nahm man jeden als NS-Führungsoffizier. Eine Mitgliedschaft in der NSDAP wurde deshalb ausdrücklich nicht gefordert!


Der letzte Rest von Hoffnung schwand bei den Soldaten, wenn sie während des Heimaturlaubs den Bombenkrieg im Luftschutzkeller erleben mussten. In der Endphase des Krieges hoffte wohl jeder Soldat an der Ostfront, dass er diesen Krieg lebend überstehen wird. Die Kampfmoral nahm ab; es ging nur noch um das nackte Überleben.....


Der "Weiß-Ferdl-Rock"

Das Heer hatte eine recht pompöse Paradeuniform. Diese Uniform war sehr eng geschnitten und hatte auffällige Applikationen an den Ärmelenden. Besonders beliebt war sie wohl nicht, diese enge und altmodische Uniform. Im süddeutschen Raum hatten die Soldaten gleich wieder einen Spitznamen für diese Uniform parat: Sie nannten die Uniformjacke „Weiß-Ferdl-Rock“, weil der damals allseits bekannte Münchner Komiker oftmals in Phantasieuniformen auftrat, die ähnliche Verzierungen an den Ärmelenden aufwiesen. Erst kürzlich erfuhr ich, dass dieser Uniformrock auch als "Sarrasani-Rock" bezeichnet wurde - in Anspielung auf das einstmalige Zirkusunternehmen gleichen Namens.

Prächtig war sie schon diese Uniform! Jedenfalls hatten Feldwebel aufwendige Kragenspiegel wie Stabsoffiziere im Rang eines Obersten. Unteroffiziere und Offiziere ließen sich oftmals diese Uniform privat schneidern (meist in recht guter Passform und in besserer Stoffqualität).

Während des ganzen Krieges hing diese Paradeuniform bei uns zu Hause wohlverwahrt im Kleiderschrank.

In den Krieg zogen die Soldaten der Wehrmacht mit der üblichen Uniform, die weder ausreichend gegen Kälte noch Nässe schützte. Die US-Armee und die Soldaten der Roten Armee verfügten schon bald während des Krieges über Kampfanzüge, die aus wasser- und windabweisenden Stoffen hergestellt waren. Die Soldaten der Wehrmacht hatten als Wetterschutz in den Jahren bis 1944 nur eine Zeltplane zur Verfügung, die gegen die größten Unbilden der Witterung schützen sollte. Eigentlich ein Armutszeugnis für den NS-Staat! Man hatte zwar für Paraden die passende Uniform, schickte aber die Soldaten der Wehrmacht in absolut unzureichender Ausstattung in den Krieg!

Tarnanzüge aus wasserundurchlässigen Stoffen kamen bei der Wehrmacht erst in den den letzten Kriegsmonaten zur Verwendung. Einheiten der SS hatten solche Tarnuniformen schon früher im Einsatz.

Die Paradeuniform hing also nach Kriegsende noch immer im Kleiderschrank meiner Eltern, bis dann eine Änderungsschneiderin daraus einen richtigen schicken Trachtenjanker schneiderte, den mein Vater in den Nachkriegsjahren in seiner Freizeit trug.


Weiß-Ferdl-Rock 1.jpg Weiß-Fedl-Rock 2.jpg

Bild 1: Die Chargen der Feldwebel heirateten natürlich in Paradeuniform und als Portepee-Unteroffiziere mit umgeschnallten Degen!
Bild 2: Abmarsch zur Vereidigung. Die Truppe trägt Paradeuniform; der Offizier im Vordergrund die normale Dienstuniform und 
        Paradekoppel für Offiziere.


Die Genesendenkompanie beim Ers.Btl. 199....

Soldaten des Inf. Reg. 199 der 57 ID kamen nach ihren Verwundungen immer zur Genesendenkompanie des Ers.Btl.199. Volkstümlich nannte man solche Kompanien damals „Genesungskompanie“. Mein Vater wurde während des Krieges mehrmals verwundet und war danach immer wieder beim Ers.Btl. 199.

In den Monaten September / Oktober 1943 war mein Vater erneut bei dieser Genesendenkompanie. Ich durfte ihn zusammen mit meiner Mutter in Brannenburg besuchen. Damals war ich im 5. Lebensjahr. Die Eindrücke waren für mich so überwältigend, dass mir eine gute Erinnerung an die damalige Zeit verblieben ist. Tagsüber war mein Vater im Dienst. Am Abend kehrten wir jeweils in einer Gaststätte in Brannenburg ein. In dieser Gaststätte erhielten Soldaten und deren Angehörige Suppe und Pfannenkuchen ohne Abgabe von Lebensmittelmarken. Für damalige Verhältnisse war das eine Sensation!

Meinen Vater sah ich damals nur in Uniform – auch wenn wir privat unterwegs waren. So fuhren wir auf den Wendelstein und machten an eineme anderen Tag - bei strömenden Regen - einen Ausflug mit einem Dampfer auf dem Chiemsee. Meine Mutter und ich waren 8 Tage in einem Privatquartier untergebracht, das wahrscheinlich vom Ers.Btl. 199 gebucht worden war.

Im Oktober 1943 wurde das Res. Ers. Btl. 199 nach Digne-les-Bains / Frankreich (nördlich von Nizza) verlegt. Dieser Truppenteil bestand nach den Erzählungen meines Vaters zu einem großen Teil aus sog. Reichsdeutschen aus dem slowenischen und kroatischen Teil des damaligen Jugoslawiens. Mein Vater gehörte zum Begleitkommando des Bahntransportes.

Bei der Rückfahrt kam mein Vater auch nach Nizza. Er war – wie er erzählte - erstaunt über das reichhaltige und modische Angebot an Kleidung in einem Kaufhaus in Nizza. Er bekam in diesem Kaufhaus aber nichts zu kaufen. Eine Verkäuferin lief ihm nach und erklärte ihm, dass sie wegen ihrer Landsleute vorsichtig sein müsse, sofern sie deutschen Soldaten etwas verkaufe.

Mein Vater solle am Abend nochmals kommen und vor allem "Essbares" mitbringen. Die deutsch sprechende Angestellte erklärte, dass es Probleme mit der Nahrungsmittelversorgung gebe. Mein Vater besorgte Brot, Wurst, Tubenkäse und Kunsthonig und bekam dann am Abend in diesem Kaufhaus einen Damenschirm, ein Chiffonhalstuch und Damenhandschuhe sowie eine beachtliche Menge an Walnüssen. Die Waren wurden zwar mit Geld bezahlt, aber die Lebensmittel waren für das franz. Verkaufspersonal wichtiger.

Im Oktober 1943 aß ich dann das erste Mal in meinem Leben Walnüsse. Nach 2 Tagen, die er zu Hause verbrachte, wurde mein Vater dann noch im Monat Oktober 1943 wieder an die Ostfront abkommandiert.

Nizza 1.jpg Nizza 2.jpg
Bild 1: Französische Torpedoboote liegen in Nizza vor Anker - Okt. 1943

       Nach der Niederlage mussten die Franzosen ihre Flotte nicht ausliefern.
       Die Schiffe lagen (abgerüstet und ohne Munition) in Toulon und den sonstigen Häfen
       bzw. Liegeplätzen. Deshalb lagen auch diese Torpedoboote in Nizza vor Anker.

Bild 2: Reger Badebetrieb am Strand von Nizza - Okt. 1943

       Im Oktober 1943 herrschte in Nizza - von den Mängeln in der Lebensmittelversorgung
       einmal abgesehen - friedensmäßiges Treiben. Vom 2. Weltkrieg war Südfrankreich bis
       dahin weitgehend verschont geblieben. Erst am 26. Mai 1944 erlebte Nizza eine
       Beschießung durch alliierte Kriegsschiffe und Fliegerangriffe. Danach begann die
       "Operation Dragoon" - die Invasion der Alliierten in Südfrankreich.

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