Müller, Vincenz: Unterschied zwischen den Versionen

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Zweifellos hat sich Müller, ähnlich wie Paulus, den neuen Herren in Mitteldeutschland angebiedert, ohne mit ihnen zu harmonieren. Manches spricht dafür, dass er sich im Laufe der fünfziger Jahre tendenziell von der SED abwandte und versuchte, eine eigenständige Rolle auszuüben. Spätestens seit Mitte der fünfziger Jahre entstanden heftige Streitigkeiten zwischen Müller und den SED-Generälen. Stabschef Müller widersetzte sich einer totalen Sowjetisierung des DDR-Militärs. Disziplinarvorschriften, Gefechtstaktik, Uniformen und anderes sollte die NVA von der Wehrmacht übernehmen. Müller wollte damit deutsche "Besonderheiten" anerkennen. Auch die Stasi wies darauf hin, dass Müller Vorschriften der Wehrmacht bevorzuge und die der "Freunde" – also der sowjetischen Armee – nicht akzeptiere.  
 
Zweifellos hat sich Müller, ähnlich wie Paulus, den neuen Herren in Mitteldeutschland angebiedert, ohne mit ihnen zu harmonieren. Manches spricht dafür, dass er sich im Laufe der fünfziger Jahre tendenziell von der SED abwandte und versuchte, eine eigenständige Rolle auszuüben. Spätestens seit Mitte der fünfziger Jahre entstanden heftige Streitigkeiten zwischen Müller und den SED-Generälen. Stabschef Müller widersetzte sich einer totalen Sowjetisierung des DDR-Militärs. Disziplinarvorschriften, Gefechtstaktik, Uniformen und anderes sollte die NVA von der Wehrmacht übernehmen. Müller wollte damit deutsche "Besonderheiten" anerkennen. Auch die Stasi wies darauf hin, dass Müller Vorschriften der Wehrmacht bevorzuge und die der "Freunde" – also der sowjetischen Armee – nicht akzeptiere.  
  
Völlig richtig erkannte die SED-Führung, daß Müller gegen die Allmacht der sowjetischen Besatzer opponierte. 1952 äußerte er gegenüber dem Chefinspekteur der Volkspolizei, Gronau: "Die Russen (er spricht nie von der Sowjetunion) müssen doch endlich einmal verstehen, dass sie als Besatzungsmacht in einem fremden Land sind, wo andere Bedingungen herrschen als in ihrem eigenen."
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Die SED-Führung musste erkennen, dass Müller gegen die Allmacht der sowjetischen Besatzer opponierte. 1952 äußerte er gegenüber dem Chefinspekteur der Volkspolizei, Gronau: "Die Russen (er spricht nie von der Sowjetunion) müssen doch endlich einmal verstehen, dass sie als Besatzungsmacht in einem fremden Land sind, wo andere Bedingungen herrschen als in ihrem eigenen."
  
 
Empört nahm die Stasi 1956 das Müllersche Anliegen zur Kenntnis, der NVA eine relative Autonomie zu verschaffen. Nach Müllers Plan sollte sich das DDR-Verteidigungsministerium nur um Ausbildungs- und Gefechtsfragen kümmern und alles andere dem Stab der NVA überlassen.
 
Empört nahm die Stasi 1956 das Müllersche Anliegen zur Kenntnis, der NVA eine relative Autonomie zu verschaffen. Nach Müllers Plan sollte sich das DDR-Verteidigungsministerium nur um Ausbildungs- und Gefechtsfragen kümmern und alles andere dem Stab der NVA überlassen.
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Viele SED-Offiziere misstrauten ihrem eigenen Stabschef. Die Stasi bat Ulbricht 1955, Müller aus dem Dienst zu entfernen. Vorerst blieb man jedoch auf dessen fachliche Kompetenz angewiesen. Müller selbst erkannte, daß die SED ihn argwöhnisch beobachtete. Auf Schritt und Tritt observierten ihn Stasi-Spitzel.  
 
Viele SED-Offiziere misstrauten ihrem eigenen Stabschef. Die Stasi bat Ulbricht 1955, Müller aus dem Dienst zu entfernen. Vorerst blieb man jedoch auf dessen fachliche Kompetenz angewiesen. Müller selbst erkannte, daß die SED ihn argwöhnisch beobachtete. Auf Schritt und Tritt observierten ihn Stasi-Spitzel.  
  
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1956 konferierte er mit dem westdeutschen Finanzminister Fritz Schäffer in Berlin-Schmöckwitz über die deutsche Wiedervereinigung.
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Er nahm  auch Kontakte zu ehemaligen Offizierskollegen in der Bundesrepublik auf.
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Sein Ziel war es wohl, die beiden deutschen Staaten auf "Annäherungskurs" zu bringen. In gewisser Weise war
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sein Vorgehen realitätsfremd. Es setzten um 1956 massive Beobachtungen durch die Stasi ein. Auch war es Müller nicht
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möglich, in der DDR seinen Nimbus als "Nazi-General" zu "begraben".
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So nahm Vincenz Müller im Jahre 1958 frustriert und psychisch und physisch krank seinen Abschied. Im Jahre 1961 starb
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er dann nach einem Sturz vom Balkon seines Hauses.
  
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1956 konferierte er mit dem westdeutschen Finanzminister Fritz Schäffer in Berlin-Schmöckwitz über die deutsche Wiedervereinigung.
 
  
Nach seiner Pensionierung im Februar 1958 hielt Müller offenbar seine Westverbindungen aufrecht. Manche Westdeutsche, darunter entschiedene Antikommunisten, setzten politische Hoffnungen in den  ehem. Stabschef der NVA.
 
  
  
  
Am wahrscheinlichsten dürfte sein, daß Müller eine in sich gespaltene Persönlichkeit war. Bis zu einem gewissen Grad stützte er Ulbrichts Clique, hielt sich aber jederzeit eine Hintertür nach Westen offen. Zumindest fand die SED-Herrschaft nie sein vorbehaltloses Einverständnis. Gelähmt wurde Müller durch die Behauptung, daß er in Russland an der Erschießung von 90.000 Juden bei Artemowsk beteiligt gewesen sei. Laut Stasi-Akte lag deshalb Anfang der fünfziger Jahre in Westdeutschland ein Haftbefehl gegen ihn vor. Der Wahrheitsgehalt dieser Anschuldigung ist völlig ungeklärt.
 
  
 
   
 
   
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Er nahm Kontakte zu ehemaligen Offizierskollegen in der Bundesrepublik auf und traf sich mit dem damaligen Bundesfinanzminister
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Schäffer. Sein Ziel war es wohl, die beiden deutschen Staaten auf "Annäherungskurs" zu bringen. In gewisser Weise war
 
sein Vorgehen realitätsfremd. Es setzten um 1956 massive Beobachtungen durch die Stasi ein. Auch war es Müller nicht
 
möglich, in der DDR seinen Nimbus als "Nazi-General" zu "begraben". Für höhere Dienste in der NVA kam er nie in Betracht.
 
So nahm Vincenz Müller im Jahre 1958 frustriert und psychisch und physisch krank seinen Abschied. Im Jahre 1961 starb
 
er dann nach einem Sturz vom Balkon seines Hauses.
 
  
 
== militärische Einheiten ==
 
== militärische Einheiten ==

Version vom 8. September 2009, 18:13 Uhr

Vincenz Müller (* 5. November 1894 in Aichach/damals Oberbayern; † 12. Mai 1961 in Berlin) war ein deutscher Offizier und General während der Zeit des Kaiserreiches, des Dritten Reiches und der DDR.

Vincenz Müller im Jahre 1944


Kurzbiografie

Geboren am 5.11.1894 in Aichach (damals Oberbayern) als Sohn eines Gerbermeisters. Nach Abitur und Militärdienst seit 1914 Leutnant und Berufssoldat. Seine Laufbahn in der Wehrmacht endete mit der Zerschlagung der deutschen Mittelfront im August 1944. Er war zuletzt als Generalleutnant Kommandeur eines Armeekorps und stellv. Befehlshaber der 4. deutschen Armee als er sich der Roten Armee gefangen gab und in einem Flugblatt einen letzten Befehl an die von ihm vorher geführten Truppen richtete, den aussichtslosen Kampf einzustellen. In der Kriegsgefangenschaft besuchte er einen Antifa-Lehrgang und bekannte sich zum Nationalkomitee »Freies Deutschland« und wurde zum Initiator des Aufrufes der 17 deutschen Generäle der Mittelfront, die sich am 27. Juli 1944 an die Soldaten der Wehrmacht wandten, Hitler den Gehorsam zu verweigern und den Krieg zu beenden. Im September 1948 Rückkehr nach Deutschland-Ost. Dort Mitglied der "Blockpartei" NDPD und zeitweise Abgeordneter der DDR-Volkskammer. Müller war maßgeblich am Aufbau der kasernierten Volkspolizei und danach als Generalleutnant in der NVA tätig.

Zweifellos hat sich Müller, ähnlich wie Paulus, den neuen Herren in Mitteldeutschland angebiedert, ohne mit ihnen zu harmonieren. Manches spricht dafür, dass er sich im Laufe der fünfziger Jahre tendenziell von der SED abwandte und versuchte, eine eigenständige Rolle auszuüben. Spätestens seit Mitte der fünfziger Jahre entstanden heftige Streitigkeiten zwischen Müller und den SED-Generälen. Stabschef Müller widersetzte sich einer totalen Sowjetisierung des DDR-Militärs. Disziplinarvorschriften, Gefechtstaktik, Uniformen und anderes sollte die NVA von der Wehrmacht übernehmen. Müller wollte damit deutsche "Besonderheiten" anerkennen. Auch die Stasi wies darauf hin, dass Müller Vorschriften der Wehrmacht bevorzuge und die der "Freunde" – also der sowjetischen Armee – nicht akzeptiere.

Die SED-Führung musste erkennen, dass Müller gegen die Allmacht der sowjetischen Besatzer opponierte. 1952 äußerte er gegenüber dem Chefinspekteur der Volkspolizei, Gronau: "Die Russen (er spricht nie von der Sowjetunion) müssen doch endlich einmal verstehen, dass sie als Besatzungsmacht in einem fremden Land sind, wo andere Bedingungen herrschen als in ihrem eigenen."

Empört nahm die Stasi 1956 das Müllersche Anliegen zur Kenntnis, der NVA eine relative Autonomie zu verschaffen. Nach Müllers Plan sollte sich das DDR-Verteidigungsministerium nur um Ausbildungs- und Gefechtsfragen kümmern und alles andere dem Stab der NVA überlassen.

Viele SED-Offiziere misstrauten ihrem eigenen Stabschef. Die Stasi bat Ulbricht 1955, Müller aus dem Dienst zu entfernen. Vorerst blieb man jedoch auf dessen fachliche Kompetenz angewiesen. Müller selbst erkannte, daß die SED ihn argwöhnisch beobachtete. Auf Schritt und Tritt observierten ihn Stasi-Spitzel.

1956 konferierte er mit dem westdeutschen Finanzminister Fritz Schäffer in Berlin-Schmöckwitz über die deutsche Wiedervereinigung. Er nahm auch Kontakte zu ehemaligen Offizierskollegen in der Bundesrepublik auf. Sein Ziel war es wohl, die beiden deutschen Staaten auf "Annäherungskurs" zu bringen. In gewisser Weise war sein Vorgehen realitätsfremd. Es setzten um 1956 massive Beobachtungen durch die Stasi ein. Auch war es Müller nicht möglich, in der DDR seinen Nimbus als "Nazi-General" zu "begraben". So nahm Vincenz Müller im Jahre 1958 frustriert und psychisch und physisch krank seinen Abschied. Im Jahre 1961 starb er dann nach einem Sturz vom Balkon seines Hauses.









militärische Einheiten

  • Kdr. 57.Inf.Div

Auszeichnungen

  • Eisernes Kreuz (1914) II. und I. Klasse
  • Verwundetenabzeichen (1918) in Schwarz
  • Ritterkreuz II. Klasse des Friedrichs-Ordens mit Schwertern
  • Mecidiye-Orden V. Klasse mit Säbeln
  • Silberne Liakat-Medaille mit Säbeln
  • Eiserner Halbmond
  • Spange zum Eisernen Kreuz II. und I. Klasse
  • Deutsches Kreuz in Gold am 26. Januar 1942
  • Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes am 7. April 1944
  • Vaterländischer Verdienstorden der DDR in Gold

Wikipedia - Vincenz Müller

Der Aufruf der 17 Generäle

Am 22.Juli 1944 unterzeichneten 17 von den Sowjets gefangene Generäle, der kurz vorher zerschlagenen Heeresgruppe Mitte, einen Aufruf, in dem sie die deutschen Truppen zur Einstellung des aussichtslosen Kampfes und zum Sturz Hitlers aufforderten. Veröffentlicht wurde dieser Aufruf am 27.Juli 1944. Treibende Kraft dieser Aktion war wohl GL Vincenz Müller. Desweiteren handelte es sich um folgende Armeekorps- und Divisionskommandeure: GdI Paul Völckers (RK), GdI Friedrich Gollwitzer (RK), GL Kurt-Jürgen Freiherr von Lützow (Eichenlaub zum RK), GL Hans Traut (Eichenlaub zum RK), GL Arthur Schmidt (RK), GL Rudolf Bamler, GL Adolf Hamann, GM Gottfried von Erdmannsdorff (RK), GM Gustav Gihr, GM Günther Klammt, GM Claus Müller-Bülow, GM Herbert Michaelis (RK), GM Friedrich-Karl von Steinkeller (RK), GM Adolf Trowitz und zwei weitere, deren Namen nicht zu ermitteln waren.

Geschah dies aus Überzeugung oder nur unter Drohungen bzw. gezielter Beeinflussung der Sowjets? Man wird wohl davon auszugehen haben, dass die genannten Offiziere, die in der sowjetischen Gefangenschaft, auch Dinge erfuhren, die ihnen zuvor so nicht bekannt waren (Vernichtungslager u. ä.), und unter dem Eindruck des Attentats auf Hitler überwiegend aus Überzeugung handelten. Jeder vernünftige Offizier musste damals erkennen, dass dieser Krieg für Deutschland längst verloren und eine weitere Kriegsführung eigentlich sinnlos war. Nach alledem kann man das Verhalten dieser 17 Generäle genauso wenig negativ bewerten, wie das Handeln der am Aufstand des 20.7.1944 beteiligten Offiziere der Wehrmacht!

Mut bewiesen sie allemal diese Generäle, als sie dieses Manifest unterzeichneten. Sie mussten damit rechnen, dass ihre engsten Angehörigen vom NS-Staat in Sippenhaft genommen werden. Und eben dies geschah in den allermeisten Fällen; die Angehörigen der betroffenen Generäle saßen dann bis Kriegsende in besonderen Lagern als Gefangene. Ausnahmen von der Sippenhaft gab es nur dann, wenn sich die Ehefrau des jeweiligen Generals scheiden ließ. Nach dem heutigen Erkenntnisstand waren die Unterzeichner des Aufrufs keine "umgewandelten" Kommunisten - selbst Vincenz Müller wurde nie SED-Mitglied in der DDR. Vincenz Müller besuchte jedoch während seiner Gefangenschaft einen sog. Antifa-Lehrgang. Seine militärische Tätigkeit in der späteren DDR war dadurch geprägt, dass er ständig von der Stasi bespitzelt wurde und allgemein als Nazi-General eingestuft wurde. Diese Dinge führten dann dazu, dass Müller 1958 seinen Abschied bei der NVA beantragte und psychisch und physisch angeschlagen Ruheständler wurde.

Besondere Vorteile erwuchsen den Generälen seitens der Sowjets jedenfalls nicht. Einige der angeführten Offiziere (v.Erdmannsdorff, Hamann) wurden von den Sowjets hingerichtet, die anderen blieben bis in die Mitte der 50-iger Jahre Kriegsgefangene (Völckers und Müller-Büllow sind dort gestorben). Vincenz Müller starb 1961 nach einem Sturz vom Balkon seines Hauses.